Kunst und Geld sind auf vielfältige Art miteinander verwoben.
Nicht nur ist Kunst zu einer attraktiven Geldanlage geworden, so dass ihr Wert nicht mehr nur in Wahrheit und Schönheit besteht, sondern auch in Dollar und Euro angegeben werden kann, sondern die Zahlungsmittel selbst sind jenseits ihrer reinen Funktionalität mitunter auch zu kleinen Kunstwerken geworden. In dieser Hinsicht kann man die Banknote als eine der ersten künstlerischen Serigraphien ansehen, deren Besonderheit allerdings darin besteht, dass ihr Nominalwert üblicherweise sowohl ihren ästhetischen Wert also auch den reinen Materialwert bei weitem übersteigt.
Künstler beschäftigen sich mit Geldscheinen beinahe schon so lange wie es Banknoten gibt. Während es im 19. Jahrhundert vorwiegend um Wirklichkeitsnähe, Reproduktionen und Trompe L’Oeils ging, hat sich der Fokus mit der zunehmenden Virtualisierung von Geld verschoben. Anstatt sich auf das Aussehen des Geldscheines und des darauf dargestellten Motives zu konzentrieren, haben sich die Künstler vielmehr mit seiner Beliebigkeit, Vielfältigkeit und schieren Materialität beschäftigt. Alles konnte ein Geldschein sein – und zwar so oft, wie er gedruckt wurde. Andy Warhol malte den US Dollar, um ihn anschließend zu reproduzieren; Robert Watts ging sogar noch weiter, indem er einfach Offset-Vervielfältigungen in eine Kiste packte. Während es diesen Künstlern immer noch um die Darstellung ging, haben Robert Morris und Robert Rauschenberg die Banknote als ein beliebiges Stück Materie angesehen, das für einen ganz anderen Zweck verwendet werden konnte. Gewiss sind künstlerische Darstellungen von Geld selbst kein Zahlungsmittel mehr, ebensowenig wie Geldscheine, die in Kunstwerke und Installationen integriert werden, sondern sie übernehmen eine expressive oder symbolische Funktion.
Bis dahin führte also das Zusammentreffen von Geld und Kunst entweder zur Darstellung des Werteträgers oder seiner Instrumentalisierung zu ganz anderen, nicht finanziellen Zwecken. Eine Ausnahme sind Projekte, wie sie von verschiedenen Zeitschriften wie „Art in America“ oder „Avant-Garde“ angestoßen wurden; sie luden Künstler ein, ihre eigenen Währungen zu kreieren, die natürlich nur „Spielgeld“ waren, nichts, womit man wirklich hätte bezahlen können.
Trotz der Verlockung des Geldes hat sich die Kunstwelt einer bestimmten Art der Liaison für lange Zeit enthalten. Erst jetzt ist eine Banknote durch die Hand eines Künstlers gegangen und zugleich doch ihren offiziellen wirtschaftlichen Wert behalten. Und so beginnt James Rizzi, eine völlig neue Geschichte zu erzählen – sein Engagement lässt sich nicht auf ein Entweder / Oder reduzieren (entweder ästhetischer Wert oder wirtschaftlicher), sondern verbindet tatsächlich beides miteinander.
Die Kooperation zwischen Rizzi und Giesecke & Devrient begann bereits mit dem Brief-marken-projekt. Giesecke & Devrient druckt jedoch nicht nur Briefmarken, sondern auch Banknoten. Als Rizzi von einem Journalisten gefragt wurde, was er nach seinen Briefmarken als nächstes gestalten wollte, sagte er im Scherz, er habe noch nie Geld entworfen – und Giesecke & Devrient nahmen ihn beim Wort. Als auch die EZB ihr Placet gegeben hatte, konnte es losgehen. Rizzi entschied sich dafür, die Rückseite des Zehn-Euro-Scheins neu zu gestalten. Das ursprüngliche Motiv – eine fiktive romanische Brücke und eine schematische Kartendarstellung Europas – gestatteten es ihm, nicht nur etwas auf das ursprüngliche Motiv der Banknote zu zeichnen, sondern die ursprüngliche Struktur als Ausgangspunkt für etwas ganz Neues zu verwenden. Die Kreise, die die Brückenbögen zusammen mit ihrer Spiegelung im Wasser ergeben, sind ebenso verlockend für ihn wie die Silhouette Italiens, die zu einer gedanklichen Projektion von Bein und Stiefel geradezu einlädt.
Die Rizzi-Geldscheine sind Siebdruck-Serigraphien, mit denen im 16-Farb-Druck Rizzis Original-Zeichnung auf den Original 10-Euro-Schein übertragen wurde. Unter den fast zwei Milliarden 10-Euro-Scheinen, die in Europa zirkulieren, befinden sich also 400, die von Rizzi gestaltet wurden – auch wenn diese eher nicht im Geldbeutel, sondern gerahmt an der Wand anzutreffen sind. Und ihr ästhetischer Wert wird in der Tat ebenso wenig der Inflation zum Opfer fallen wie der ursprüngliche Kaufpreis dieser innerhalb kürzester Zeit vergriffenen Edition.